Beate L. Weiland
Jüdische Friedhöfe in Nordostniedersachsen
Eine Bestandsaufnahme
... aber die Namen bleiben Zeugen
Vorwort
Jiskor - gedenke deiner Väter und Vorväter!
Dieses Postulat begleitet jeden Juden sein Leben lang, seit Jahrtausenden. Und so erscheint auch die nachstehende Arbeit in einem besonderen Licht; wenn man auch die Toten in ihrer Ruhe nicht stören soll, so soll man ihrer doch immer und immer wieder gedenken.
Ein ,,Wieder-Gedenken" ist auch das Erscheinen dieser Arbeit; 1982 vollendet, erschien sie aus finanziellen Gründen nicht in Druck, so daß ihr Erscheinen zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur ein neues Vorwort projudiziert, sondern auch ein Wieder-Gedenken. Viele Grabsteine, die 1982 noch gut lesbar waren, sind mittlerweile nicht mehr leserlich, andere zerstört, wieder andere neu überwuchert - kurz, was 1982 erarbeitet wurde, kann heute nicht mehr verbessert werden. Mögen diese Texte die Toten wieder lebendig werden lassen für den kurzen Augenblick des Lesens, mögen ihre Namen für einen Moment der Ewigkeit entrissen werden. Und so, wie noch heute jeder Jude verpflichtet ist, zur Jahrzeit (dem Todestag) seiner Eltern ihrer mit dem Kaddisch, dem Totengebet, zu gedenken, soll dieses uralte, im Original auf aramäisch zitierte Gebet, an den Anfang des Buches gestellt werden:
Verherrlicht und geheiligt werde Sein großer Name in der Welt, die Er erschaffen nach Seinem Willen. Er möge Sein Reich fest begründen bei eurem Leben und in euren Tagen und beim Leben des ganzen Hauses Israel bald in naher Zeit, darauf sprechet: Amen! Es sei Sein großer Name gebenedeiet von Ewigkeit zu Ewigkeit! Gebenedeiet und gepriesen, gerühmt und erhoben, erhöhet und verherrlicht, geweiht und hochgelobt sei der Name des Heiligen! Gelobt sei Er! der so hocherhaben ist über alle Benedeiungen und Loblieder, Preisgesänge und Trostverheißungen, die in der Welt gesprochen werden, darauf sprechet: Amen! Reicher Friede komme vom Himmel und Leben sei uns beschieden und ganz Israel, darauf sprechet: Amen! Der Frieden stiftet in Seinen Höhen, Er stifte Frieden über uns und ganz Israel, darauf sprechet: Amen!
Gäbe es heute die jüdischen Friedhöfe im ostniedersächsischen Raum nicht mehr, wären für immer die sichtbaren Spuren der wenigen Juden ausgelöscht, die in diesem Raum lebten oder für einige Jahre den Schutz eineüs Ortes erwarben. Das Wenige, was übrig blieb, zu ordnen, zu sichten und jedem verständlich zugänglich zu machen, soll im Folgenden versucht werden. Dabei soll zuerst auf Allgemeines in bezug auf Anlage und Belegung jüdischer Friedhöfe eingegangen werden.
Sämtliche jüdische Friedhöfe befanden sich - anders als die christlichen - zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung außerhalb der Wohnbezirke, da für ihr Betreten verschiedene religiöse Vorschriften (so u. a. für die Cohanim, s. u.) beachtet werden müssen.