Juden in Bleckede

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Mehrere Bezeichnungen sind für den Friedhof im Hebräischen geläufig: ,,Haus des Lebens", ,,Haus der Gräber", ,,Hof des Todes" (nach Talmud Berachoth 18b), aber am häufigsten spricht man vom ,,ewigen Haus"; von daher ist auch die vielfach wiederkehrende Floskel ,,und er / sie ging ein in das ewige Haus" auf unseren Grabsteinen verständlich. Auch die Grabsteine selbst haben mehrere Bezeichnungen: neben ,,Seele" und ,,Zeichen" (s. II. König 23,17) findet sich - so vielfach hier - der Begriff ,,Säule, Grabstein" nach zwei Zitaten: Gen. 35, 20 sowie II. Sam. 18,18.
Die religiöse Vorschrift gebietet eine Abgrenzung des Friedhofes, also einen Zaun, Graben oder Bäume. Die Forderung der Erdbestattung beruht auf Deut. 21,23, obwohl im 19. Jahrhundert wie bei den Christen zeitweilig die Einäscherung modern wurde; daher finden wir vereinzelt als Abschluß-Eulogie ,,Sanft ruhe seine/ ihre Asche". Bäume und Blumen waren auf dem Friedhof verboten, da jegliche Nutznießung von Toten (durch die Früchte oder den Nektar der Blumen) ausgeschlossen werden sollte (nach Talmud b. Awoda rabah 29b). Allerdings findet sich auch häufig die Sitte, die Gräber in der Nähe von Bäumen anzulegen aufgrund 1. Mose 35,8, in der von Deborahs Grab unter einer Esche gesprochen wird.
Der Leichnam selbst wurde, war es ein Mann, in seinen Gebetumhang (Tallith) gehüllt, dem man zuvor die vier besonders geknüpften Schaufäden an den vier Ecken abgeschnitten hatte. So wurde demonstriert, daß der Tote nicht mehr beten konnte, denn mit den Schaufäden (oder Zizith) berührt man die Thorarolle (die 5 Bücher Mose) beim Gottesdienst zur Lesung. Eine Frau bekam ein Leichenhemd ohne Taschen und Saum, damit sie wirklich nichts, auch kein Staubkorn, mit ins Jenseits nahm. So kam der Leichnam in einen einfachen Holzsarg, der drei Handbreit mit Erde bedeckt, mit dem Kopf nach Osten bestattet wurde, gemäß der Vorstellung, daß man sich am Tage der Auferstehung in der Richtung auf Jerusalem zu erhebt.
Die religiöse Vorschrift (Kizzur Schulchan Aruch 199,1) sieht vor, daß der Leichnam allein im Totenhemd in die Erde gegeben wird, damit er auch so schnell wie möglich wieder zu Erde wird. Da dies jedoch in Deutschland nicht erlaubt war - und das Recht des Gastlandes immer vor das religiöse Recht gestellt wurde -, legte man den Toten in einen Sarg, der so dünn wie möglich war.
Grundsätzlich wurden die Toten am Tage ihres Ablebens bestattet, sofern die Dunkelheit noch nicht angebrochen oder es sich bei dem Tag um einen Schabbath oder sonstigen Feiertag handelte, da eine oberirdische ,,Übernachtung" des Leichnams als Blasphemie empfunden wurde. Dies wurde jedoch im 19. Jahrhundert amtlicherseits verboten, da dem allgemein die Angst vor einem Scheintod entgegenstand. Der kurze Abstand zwischen Tod und Bestattung erklärt sich aus dem geringen Aufwand nötiger Zeremonien:
nach dem Waschen des Toten (der sog. Tahara) wurde ein schlichter Nekrolog gehalten (Hesphed) sowie eine Leichenbewachung (Schmira) bis zur Beerdigung angeordnet. Eine zusätzliche Erschwernis für die Aufbewahrung des Toten erklärt sich daraus, daß der Talmud (Baba Batra VI,8) einen Raum fordert, in dem die Totenbahre und die Leichenträger Platz finden sollten, also eine Leichenhalle, was bei unseren hier besprochenen kleinen Gemeinden nicht möglich war.
Die fast durchweg zu beobachtenden Friedhofs,,hügel" erklären sich aus der Vorschrift, daß der Leichnam nicht mit Wasser (Grundwasser) in Berührung kommen darf; aus diesem Grunde ist einzig und allein der Uelzener Friedhof ,,ebenerdig" angelegt, in Bleckede wiederum mußte der Berg künstlich geschaffen werden.
Noch einiges zur Beerdigung selbst: Gemäß Deut. 32,3 gibt man dem Toten gern Erde aus dem heiligen Land mit ins Grab, ebenso vermeidet man gem. Ps. 26,9, einen Bösewicht neben einem Gerechten zu bestatten.

 

 

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