Juden in Bleckede

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Während der Bestattungszeremonie wird in die Oberbekleidung der trauernden Angehörigen ein Riß getätigt (Kria), der in der gesamten Trauerzeit nicht ausgebessert werden darf.
Geht die Trauergemeinde vom Friedhof, so wirft sie etwas Gras hinter sich und spricht (auf hebräisch):,,Gedenke, daß wir Staub sind!" nach Ps. 72,16, und wäscht sich die Hände. Nach mosaischem Glauben sollte die Ruhe der Toten so wenig wie möglich gestört werden, daher ist ein häufiger Besuch der Gräber sogar verpönt. Wenn man allerdings - meist zu den bestimmten, aus religiösen Gründen verpflichtenden Tagen - das Grab besucht, so nimmt man seit alters her ein kleines Steinchen mit und legt es aufs Grab oder auf den Grabstein. Diese Sitte, ursprünglich in der Wüstenzeit geboren als Schutz vor wilden Tieren, die den Leichnam nicht erreichen sollten, dient heute als  Nicht-Unterscheidung zwischen reich und arm; ein Steinchen kann auch der Ärmste seinem Nächsten auf das Grab bringen.
Die Pflege der Friedhöfe obliegt in denjenigen Orten, die heute keine jüdischen Gemeinden mehr haben, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, denn ein jüdischer Friedhof darf nie eingeebnet werden, ein Begräbnisplatz ist ein ewiger Ort. Zwar besagen moderne Richtlinien, dass umgestürzte Steine nicht wieder aufgerichtet, zerborstene nicht wieder gekittet werden müssen, aber sie dürfen auch nicht weggeräumt werden.

Zu den Inschriften

Einen Stein zum Andenken an den Toten zu setzen - entweder nach den 30 Tagen der Trauerzeit oder nach einem ]ahr -, ist keine unbedingte Vorschrift, wurde aber im allgemeinen durchgeführt, es sei denn, es handelte sich bei dem Toten um ein Kleinkind oder einen, dessen Namen man aus Pietät nicht nennen wollte, also z. B. einen Räuber, Mörder oder Selbstmörder. Diese bestattete man in der Regel am Rande des Friedhofes (siehe Bleckede Nr. 1).
Häufig erkennt man auch  umlaufende Grabeinfassungen durch Mauersteine; durch sie wurden meist Familiengräber kenntlich gemacht, bei denen ein Grab für längere Zeit vakant blieb. Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts bürgerte es sich ein, die Grabsteine nicht nur hebräisch (in Richtung zu den Gräbern, also nach Westen) zu beschriften, sondern auf die Ostseite zusätzlich eine deutsche Inschrift zu setzen; anfangs nur die Namen mit den nackten Lebensdaten (s. Hitzacker), später gleichbedeutend mit der hebräischen Inschrift (s. vor allem Bleckede) bzw. sie völlig ersetzend (s. Uelzen). Im allgemeinen ist jedoch zu beobachten, dass die hebräische Schriftseite den Vorrang hatte. Hier erfährt man in der Regel auch weit mehr über den / die Toten, sei es durch ein Bibelzitat - sofern möglich, ist es immer angegeben worden -, teils aber auch durch die äußere Form der Inschrift, also besondere Verzierungen oder Abfassung des Textes in Gedichtform, wodurch wir auf die Stellung des / der Toten Schlußfolgerungen ziehen können.

Die Namen

Ursprünglich besaßen die Juden nur einen Namen; zur Unterscheidung der Josefs oder Isaacs wurde der Name des Vaters (,,Sohn/ Tochter des ...") hinzugefügt, wie es ja auch in den skandinavischen Ländern üblich war. Um die Wende zum 19. Jahrhundert kam aufgrund des Toleranzediktes von Joseph II. (1787) und der napoleonischen Gesetzgebung (1808) die Pflicht auf, daß die Juden sich amtlicherseits einen Nachnamen zulegen mußten.

 

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