Einführung

200 Jahre Geschichte

 

Bleckede: eine kleine Stadt an beiden Seiten der Elbe, Landkreis Lüneburg, Niedersachsen, Deutschland. Fast 10.000 Einwohner heute, 1209 gegründet, begünstigt und gebeutelt durch den Lauf der deutschen Geschichte, wie viele andere Städte auch, und dennoch besonders.
Die Geschichte des Judentums, auch in Bleckede, lässt sich nicht auf die Verfolgung 1933 - 45 reduzieren: davor gab es eine 200-jährige wechselvolle Geschichte.

Sie sollte ausgelöscht werden, die einzelnen jüdischen Menschen sollten millionenfach vernichtet werden, ihre Namen, die Erinnerung an sie, ihr Leben, ihre Kultur, ihre Werte, sollten getilgt werden. Und damit ein Teil unser aller Geschichte. Dieser ungeheuerliche Plan soll, auch im nachhinein, nicht aufgehen: weil wir uns erinnern.

Anfang des 18. Jahrhunderts beginnt die dokumentierte Geschichte jüdischen Lebens in Bleckede: 1730 erhält Emanuel Hertz, Kramwarenhändler aus Marburg/Hessen, einen Schutzbrief, ausgestellt auf Bleckede. Ihm und seiner Familie folgen 1743 Salomon Moses, Schlachter, aus Appenrode/Hessen, 1747 Benjamin David, Wechsler, aus Winsen/Luhe mit ihren Familien. Ihre Nachkommen bestimmen bis ans Ende des 19. Jahrhunderts wesentlich jüdisches Leben in Bleckede.

Die Blütezeit war in den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts, die jüdischen  Mitbürger sind offenbar mehr oder weniger integriert. Sie besaßen Häuser (Emanuel Hertz ab 1740) und Geschäfte im Zentrum.
1848 gab es 616 Lutheraner, 41 Juden und 6 Katholiken in Bleckede. Ein hoher Anteil von jüdischen Bürgern, der vergleichbar war mit Städten wie Hamburg, und völlig untypisch im Königreich Hannover.
Offenbar gab es ein Interesse, durch die Ansiedlung  bestimmter Berufszweige, Bedarfslücken zu schliessen und  die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes voranzutreiben. Berufszweige waren oft verpönte: Schlachter, Geldverleiher, Kramwaren-, Textil-, Kurzwarenhändler, Färber, Gerber, Viehhändler.

Der Niedergang jüdischen Lebens in Bleckede ab Ende des 19. Jahrhunderts hatte ebenso wirtschaftliche Ursachen: Industrialisierung, Entwicklung des Verkehrswesens, Aufblühen der Großstädte, Abwanderung in prosperierende Regionen, Auswanderung.

Berühmtester jüdischer Sohn der Stadt ist Kurt Löwenstein (1885 Bleckede - 1939 Paris): ein Reformpädagoge, Schul- und Bildungspolitiker in Berlin, SPD-Reichstagsabgeordneter und Vorsitzender der "Kinderfreunde Deutschlands" und der Sozialistischen Erziehungs-Internationale. Im Februar 1933 - nach einem versuchten Mordanschlag auf ihn und seine Familie durch uniformierte SA-Leute - geht er ins Exil nach Frankreich. Er ist auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris bestattet. Strassen, Schulen (auch in Bleckede) und Jugendbildungsstätten sind heute nach ihm benannt.

Der jüdischen Gemeinde in Bleckede war es nicht vergönnt den geplanten Bau einer Synagoge zu verwirklichen. Die Gottesdienste fanden in angemieteten Beträumen in Häusern jüdischer Bürger statt: 1802 im Haus von Salomon Emanuel Hertz (jetzt Friedrich-Kücken-Str. 16), zuletzt im Haus der Familie Löwenstein (Breite Str. 17).  1844 wurde die Synagogengemeinde Bleckede gebildet, zu der auch die Juden Dahlenburgs gehörten. 1860, nach Auflösung der Synagogengemeinde Hitzacker, kamen auch die 3 jüdischen Familien aus Neuhaus dazu; dabei fiel u.a. eine Thorarolle aus Hitzacker an die Bleckeder Gemeinde.
1873 gehörten 12 Familien zur Synagogengemeinde, 39 Personen lebten in Bleckede, 7 in Dahlenburg, 12 in Neuhaus.

1752 bekamen die Bleckeder Juden für einen bis heute bestehenden Friedhof ein Grundstück, weit vor der Stadt im Wald, gegen einen Pachtzins zugewiesen. 1802 wurde er erweitert. Davor nutzte man die Friedhöfe in Winsen, Prisser und Harburg.

Die heutige Anlage des Friedhofs ist das Ergebnis der Zerstörungen nach der Reichspogromnacht 1938, der versuchten Beseitigung der Verwüstungen 1952 und der Schändungen in den 1980er Jahren.

Am 18.03.2016  ist der Friedhof  erneut geschändet und verwüstet worden: 12 Grabsteine sind von 6 13- bis 15-jährigen Schülern demoliert oder umgestoßen worden, z.T. sind auch Grabeinfassungen beschädigt. Die Grabsteine sind mittlerweile restauriert und gereinigt  worden (Stand: 07.01.2017).

Zum jüdischen Gemeindeleben gehört wesentlich der Unterricht der Kinder in einer Schule. Ein Lehrer, Ezechiel Wolfes Nathan Fränkel, wird erstmals 1810 erwähnt. Ca. 1855 - 1879 hatte die Schule den Status einer Elementarschule. Die Schülerzahl sank bis 1876 auf 5. Joseph Rothschild war 1872-76 der letzte Bleckeder Elementarlehrer. 1876 - 79 übernahm der Lehrer Author nur noch den Religionsunterricht. Danach existierte keine jüdische Schule mehr.

Jüdisches Leben, auch in Bleckede, endete jedoch, vorläufig, abrupt mit der mörderischen Verfolgung und Vernichtung der Juden 1933 - 45 durch den deutschen NS-Staat und seine aktiven und passiven Helfer.

 

 

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2 Links zum Friedhof 

 
 

  

 

  Schutzjuden in Bleckede 1829 (Quelle: Bollgöhn 1995, siehe Link: Literatur) Geschäftshaus Dierks & Hertz, Elkan Nachf., Breite Str. 27 (Foto und Copyright: Sammlung Jens Lohmann, Bleckede) Liste israelitischer Namen in Bleckede 1811 Quelle: Kreisarchiv Lüneburg 754,3. Denkmal für die ermordeten Juden Bleckedes 3. Juli 2011 (Foto und Copyright: Henning Bendler) Erinnern an die Pogromnacht 1938 am Denkmal für die ermordeten Juden Bleckedes am 09.11.2012 (Foto und Copyright: Roswita Kuhl-Jockel) Erinnern an die Pogromnacht 1938  am  Denkmal für die ermordeten Juden Bleckedes am  09.11.2014  (Foto und Copyright: Henning Bendler) Jüdischer Friedhof Bleckede (Foto und Copyright: Bodo Christiansen) Jüdischer Friedhof Bleckede nach Restaurierungsarbeiten Januar 2017 (Foto und Copyright: Henning Bendler ) Neues Tor am Jüdischen Friedhof Bleckede Feb. 2017 (Foto und Copyright Henning Bendler) Kurt Löwenstein bei der Sitzung des Lagerparlaments in der Kinderrepublik Seekamp, bei Kiel, August 1927. Quelle: AdsD / Friedrich-Ebert-Stiftung (6/FOTA007500) Kurt Löwenstein, 1934, Quelle: AdsD / Friedrich-Ebert-Stiftung (6/FOTA007503) Enthüllung des Schildes der Kurt-Löwenstein-Straße in Bleckede durch den Sohn Dyno Löwenstein (2. von rechts) und seiner Frau Tilde (links) aus New York, im Mai 1985, Quelle: Stadtarchiv Bleckede.   Stolperstein-Verlegung vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Rosen 27.02.2017 (Foto und Copyright: Henning Bendler) Gunter Demnig bei der Verlegung der Stolpersteine für die Familie Rosen 27.02.2017 (Foto und Copyright: Henning Bendler) Stolperstein-Verlegung, Ansprache von Bürgermeister Böther 27.02.2017 (Foto und Copyright: Henning Bendler) Stolpersteine für Ottilie, Joseph und Otfried Rosen (Foto und Copyright: Bodo Christiansen)

 

 

 

 

 

 

 

Das  Internet-Projekt "www.judeninbleckede.de" unterstützt die Initiative der "Amadeu Antonio Stiftung":

 

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